Die schlechte Nachricht zuerst: Wenn die Iserlohn Roosters heute Abend in der SAP-Arena bei den Adlern aus Mannheim antreten, dann könnte das Line-Up noch kleiner ausfallen, als zuletzt in Nürnberg. Nein, es gibt nicht mehr positive Corona-Fälle in der Mannschaft, aber die Erkältungswelle schlägt weiter erbarmungslos zu und mit Rückkehrern ist nicht zu rechnen. Details wollen die Roosters, altbekannt, nicht veröffentlichen, doch langsam aber sicher, so hört man es zwischen den Zeilen, wird es eng. „Wir gehen auch weiterhin mit einer positiven Einstellung ins Spiel und glauben an die Jungs, die da auf dem Eis stehen. Alle werden hart arbeiten, so wie es Tradition ist am Seilersee“, sagt Brad Tapper, der Cheftrainer, der keine Entschuldigungen akzeptieren will. Er entspricht einfach nicht seinem Naturell. Tapper, der Kämpfer, hat immer alles gegeben, selbst Gefechte ausgetragen, die von Beginn an zum Scheitern verurteilt waren. Er will sich am Ende nicht vorwerfen lassen, nicht alles versucht zu haben. Bestes Beispiel dafür war einmal mehr das letzte Auswärtsmatch in Nürnberg, bei dem er entschied, neun Minuten vor dem Ende seinen Goalie vom Eis zu nehmen und am Ende die Partie, trotz eines Drei-Tore-Rückstands, fast noch gewonnen hätte. „Alle sind sehr eng zusammengerückt, jeder kämpft für den anderen und das werden wir auch heute zu sehen bekommen!“ Motivieren muss Tapper nicht, herausfordernd ist jetzt vor allem eine kluge Trainingssteuerung. „Wir machen sehr viele Drei-gegen-Drei-Übungen, versuchen in sehr kleinen Bereichen des Eises zu trainieren, weil es gar nicht anders geht. Im Moment besteht das maßgebliche Training ohnehin aus ganz viel Video. Wir haben einfach nicht genug Personal für ein normales Training. Und trotzdem werden wir versuchen, Mannheim die Aufgabe so schwer wie möglich zu machen“, so der Kanadier, der der Situation sogar etwas Positives abgewinnen kann: „Wir beißen uns jetzt da durch, werden noch enger zusammenrücken und spätestens nach der Länderspielpause stärker zurückkommen.“
Helfen soll dabei auch Youngster Nils Elten. Für ihn ist es der denkbar schwierigste Job, den es zu erfüllen gibt. Er muss im Schnelldurchgang sein Niveau aus der Oberliga-Normalität in die DEL-Herausforderung katapultieren. Dazwischen, man muss daran erinnern, liegen zwei Spielklassen. Doch Elten hat seinen Job schon in Franken sehr anständig gemacht und ließ aufblitzen, dass man mittelfristig viel Spaß am „Iserlohner Jung‘ “ haben könnte. „Es ist jetzt natürlich schon eine unglaubliche Umstellung, aus der Oberliga den Schritt in die DEL zu machen, insbesondere weil ich ja wirklich mehrere Shifts bekomme. Trotzdem ist das eine unglaubliche Chance, über die ich mich sehr freue und ich versuche alles zu geben“, so Elten. Der hat zwar im Sommer große Schritte gemacht, sowohl menschlich als auch sportlich, aber braucht natürlich auch noch Ruhe und Zeit sich zu entwickeln. „Die Spieler sind schneller, spielen härter, man muss die Scheibe schneller bewegen, einfacher spielen, das sind die Aufgaben.“ Insbesondere die Mannschaftskollegen aber haben ihn sofort wieder aufgenommen und helfen ihm intensiv, genauso, wie die Trainer: „Alle beschäftigen sich sehr intensiv mit mir, geben mir Unterstützung, reden viel mit mir und das hilft natürlich.“ Schaden wird es der Entwicklung des überaus talentierten Eigengewächses definitiv nicht, aber natürlich macht sich trotzdem insbesondere in der Verteidigung die Personalnot bemerkbar. Ein kleines Beispiel: Dauerbrenner Ryan O’Connor kam in Nürnberg auf über 35 Minuten Eiszeit, stand in Nürnberg gefühlt immer auf der Platte, da er in beiden Powerplay-Formationen als Blueliner agierte und natürlich auch ein wichtiger Baustein im Penalty-Killing ist.
Kraftsparend zu agieren, wird dementsprechend auch heute in Mannheim die maßgebliche Aufgabe sein. Das aber ist beim Tabellenführer nicht ganz so einfach, will man sich nicht einfach überrollen lassen. Keine andere Mannschaft als die Adler verfügt in der DEL über ein vergleichbares Maß an Tiefe und Talent. Eigentlich können sich die Jungs von Pavel Gross nur selbst schlagen. Zwar haben die Roosters im Hinspiel unter Beweis gestellt, dass es anders geht, aber da standen ihnen auch sämtliche Leistungsträger zur Verfügung, die heute und auch am Freitag in Straubing garantiert noch fehlen werden. „Wir haben uns sicherlich jetzt dran gewöhnt, wie es ist, mit einem so kleinen Kader zu agieren. Aber machen wir uns nichts vor, dass wird ganz schwer“, sagt Stürmer Sven Ziegler.
Ebenso wie seine verbleibenden Teamkollegen und allen voran natürlich sein Coach wird man eine Niederlage trotzdem erst akzeptieren, wenn die Schlusssirene ertönt. Bis dahin würde Brad Tapper wahrscheinlich am liebsten selbst nochmal die Schlittschuhe schnüren – oder? „Ich würde sofort einspringen, aber wäre nach einem Wechsel fertig damit und könnte den Jungs nicht helfen. Außerdem würde für meine Spielberechtigung eine Ausländerlizenz draufgehen“, lacht Tapper. Den Spaß – und das ist ihm nach wie vor am Wichtigsten – hat man am Seilersee offenbar noch nicht verloren.